Einfach Lecker Kochen

Juli 2, 2017

weize spîsen – Blamensir und Hollermus

Post by Isa

Da ich selbst zur Zeit nicht dazu komme, einen Beitrag für den Blog zu verfassen, freue ich mich ganz besonders über diesen Gastbeitrag einer lieben Freundin: Laura von Soroes Historiae – einem Mittelalter-Blog, der sich auf die Rekonstruktion des Lebens im Raum Köln/Aachen in den Jahren 1290-1300 widmet. Auch in dieser Zeit wurde Wert auf gutes Essen gelegt, weshalb Laura zwei Gerichte aus dieser Zeit vorstellt:

Weiße Speisen aus der mittelalterlichen Küche

Kürzlich hatten wir wieder Zeit, neue Rezepte auszuprobieren und möchten euch natürlich an unseren Erfolgen teilhaben lassen. Diesmal standen die Speisen ganz im Zeichen der Farbe weiß. Los geht’s!

Blamensir

Blamensir mit getrockneten Veilchen

Ain blamenser gemaht von gecysten hüenern an der brust. und mache eine gute mandelmilich. abe gerüert hüener. dinne in der mandelmilich mit ris mele. gezworn fial blumen. und smaltz gib gnue dar zu. und siudez gar, und zuckers gnue dar zu. daz heizt auch ein blamenser.

Das Blamensir ist eine Art Hühnerragout und stammt aus dem buoch von guoter spîse, einem Kochbuch aus dem 14. Jahrhundert. (mehr dazu hier) Da der Originaltext wie immer ziemlich vage ist und die moderne Interpretation des Rezeptes welche uns vorlag eine Küchenmaschine erfordert hätten, mussten wir einfach ein bisschen ausprobieren.

Als erstes haben wir die Zwiebeln fein gehackt und in Schmalz gut angedünstet. Dann wurde das ganze mit Gemüsefond und Mandelmilch aufgefüllt. Die Hühnerbrüste kommen ganz in die Brühe und werden darin zart gekocht. Achtung: Ihr müsst die Brüste unbedingt im ganzen Zustand kochen, denn sonst wird das Fleisch trocken.

Sud für Blamesir

Wenn die Brüste gar sind, nimmt man sie aus dem Sud heraus und schneidet sie klein. Dann kommen sie wieder in den Topf. Um das ganze etwas einzudicken, wird nun noch Reismehl in die Brühe gerührt. Das Reismehl haben wir selbst aus getrocknetem Reis im Mörser gemahlen, was eine Heidenarbeit war und die Mitarbeit von mehreren Leuten erforderte.

Zuletzt wurden noch getrocknete Veilchenblüten eingerührt. Diese kurz für eine Minute mitziehen lassen, dann werden sie schön weich und gehen leicht auf.

getrocknete Veilchen

Was wir nicht bedacht haben war, Zucker hinzuzufügen. Das hatten wir irgendwie übersehen, und außerdem hatten wir gar keinen Zucker besorgt, deswegen haben wir ihn einfach weggelassen. Deswegen ist unsere Version wohl etwas herzhafter geworden als im eigentlichen Rezept gedacht, es hat aber trotzdem sehr gut geschmeckt.

Dieses Rezept ist eindeutig der Herrenspeise zuzuordnen, enthält es doch teure Zutaten wie Mandelmilch und Reis. Auch die getrockneten Veilchen weisen daraufhin, haben sie doch hauptsächlich einen optischen als einen geschmacklichen Effekt und sollen das Essen einfach nur „verschönern“. Deswegen war dies unser Sonntagsgericht.

Hollermus

Hollermus

Item ain holermuoß mach also: Nymm die plüt, tuo si in ain milich und laz sten ain weil. Und sewchs durch ain tuoch. Und setz si zuo dem fewr und rühr ez wol, daz ez nit gerin. Und schlag 4 ayr darein und tuo darzuo guot schmaltz und guot gewürtz.

Beim Holundermus haben wir uns nicht so sehr auf den Originaltext konzentriert, sondern eine Interpretation aus dem Buch „Kochen wie im Mittelalter“ von Doris Fischer zurate gezogen.

Das Holundermus ist deswegen so besonders, da es mit frischen Holunderblüten gemacht werden muss. Diese bekommt man nur an wenigen Tagen im Mai oder Juni, je nachdem in welcher Region man lebt. Bei uns blühte der Holunder pünktlich zu Pfingsten, deswegen war dies unsere Feiertagsspeise.

Man sollte den Holunder am Tag der Verarbeitung ernten, denn er hält sich nicht so lange. Außerdem darf man ihn nicht waschen, da die Blüten sofort von den Dolden abfallen und man sie in unendlicher Arbeit und Gepansche dann wieder aus dem Wasser rausfischen muss. Deswegen sollte man auf Bio Holunder zurückgreifen, also am besten aus dem eigenen Garten (oder in unserem Fall dem unserer Eltern. 🙂 Danke nochmal dafür!).

Epochenfest201734 (1)

Die Holunderblüten werden dann vorsichtig von den Dolden abgezupft und in einer Schüssel gesammelt. In der Zwischenzeit Milch und Sahne zu gleichen Teilen zum Kochen bringen. Wenn die Milch aufgekocht ist, kann man Honig nach Geschmack einrühren und die Blüten mit hineingeben. Dann muss das ganze ca eine halbe Stunde lang ziehen.

Jetzt kommt der kleckrige Part. 😉
Nach dem Ziehen müssen die Holunderblüten wieder abgeseiht werden. Zuhause würde man das mit einem Küchensieb machen, im Mittelalter hätte man wohl ein Haarsieb oder ein Leinentuch verwendet. Da wir (noch) kein Haarsieb haben, musste das Leinentuch herhalten.

Milch, Sahne und Holunderblüten

Nach dem Abseihen wird das ganze wieder aufgekocht. Dann wird Eigelb mit Reismehl gemischt und in den Sud gegeben, damit das ganze stockt, ähnlich wie bei einem Pudding. Leider ist uns das misslungen, da wir die Eimischung zu dickflüssig gemacht haben und sie beim Einrühren sofort in einem Klumpen gestockt hat. Deswegen haben wir die Eiklumpfen wieder rausgeholt (kann man trotzdem noch essen, schmeckt ein bisschen wie Eierkuchen) und das Mehl diesmal ohne Ei (weil wir keine Eier mehr hatten) sehr flüssig in Milch angerührt.

Beim nächsten Versuch klappte es dann und das Mus wurde schön breiig. Das Eiweiß haben wir in der Zwischenzeit zu Eischnee geschlagen und dann zuletzt vorsichtig untergehoben.
Dazu gab es dann noch kleingeschnittenes Obst.

Ein Hinweis hierzu: Viele unserer modernen Obst und Gemüsesorten gab es auch schon im Mittelalter, allerdings in anderer Form. Die heutigen Pflanzen wurden über lange Zeit gezüchtet, sodass sie den Wünschen des modernen Verbrauchers genügen. So sind Erdbeeren meist riesig und Äpfel sehr süß. Auch andere Obst und Gemüsesorten wurden über die letzten Jahrzehnte stark gezüchtet und entsprechen in ihrer heutigen Form nicht mehr dem mittelalterlichen Original.
Um dem ganzen aber möglichst Nahe zu kommen haben wir hier Bio-Erdbeeren aus dem elterlichen Garten und Bio-Äpfel aus dem Supermarkt verwendet. Diese sind nicht ganz so riesig und süß wie viele konventionelle Ware, entsprechen aber vermutlich noch lange nicht dem mittelalterlichen Original. Erdbeeren wurden unserer Wissens nach beispielsweise gar nicht kultiviert und wuchsen nur wild.

Es ist uns wichtig darauf hinzuweisen, denn diese Dinge sind nicht für jeden ersichtlich bzw. selbstverständlich.
– Laura